Definition Schmerz
„Schmerz ist ein unangenehmes Gefühls- und Sinneserlebnis, das mit aktueller oder drohender Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit dem Begriff einer solchen Schädigung beschrieben wird.“
(nach der International Association for the Studies of Pain)

Da bei chronischem Schmerz meist die Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Lebensbereichen

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beeinträchtigt sind, ist es wichtig die Behandlung ganzheitlich anzugehen. Im Rahmen der ganzheitlichen Ergotherapie bei Schmerzerkrankungen bedeutet dies, den gesamten Körper mit allen seinen Systemen strukturell zu untersuchen, zu behandeln und die psychischen Komponenten und die Aktivitätsebene mit einzubeziehen. Dies basiert auf dem Ebenenmodell nach Florian Hockenholz. Je länger ein Problem vorliegt, desto mehr Ebenen können/ werden betroffen sein bzw. stehen im Zusammenhang und haben Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung.

Das Ebenenmodell

Diese beschreibt den schmerzhaften Bereich, wenn primär die lokale Ebene betroffen ist. Hierbei ergibt sich aus der Anamnese bereits ein direktes Trauma. Wenige Tage nach diesem Trauma ist aber selten nur noch diese Ebene betroffen. Viele Schmerzsyndrome erwecken den Eindruck, ihre Ursache auf der lokalen Ebene zu haben. Häufig ist bei länger andauernden Schmerzsyndromen eine Verteilung der Ursachen auf mehreren Ebenen zu finden.

Beschreibt die unterschiedliche Lage von Schmerzpunkt und schmerzauslösender Struktur. Faszienketten in  longitudinal verlaufender Richtung haben ihren Ursprung am Fuß und somit können Dysfunktionen/ Läsionen über einwirkende Kräfte über den Körper verteilt entstehen. Dysfunktionen im Fuß (z.B. Umknicktrauma) können sich somit durch den Faszienzug über mehrere Stationen bis zum Kiefergelenk ausbreiten.

Die segmentale Ebene beschreibt den Spinalnerv mit seinem zugehörigen Wirbelsäulensegment, dem Plexus und den peripheren Nerven. Schmerzauslöser und Schmerzlokalisation sind segmental miteinander verbunden. Bei Funktionsstörungen des Segments treten die Symptome in den Erfolgsorganen des jeweiligen Nervs auf. Häufig treten dann auch Schmerzausstrahlungen in den segmentalen Zuordnungen der Haut auf. Bei Dysfunktionen C3/4 findet man Schmerzausstrahlungen im Schulter- Nacken-Bereich. Diese werden häufig als Verspannungen gedeutet und dann nicht ursächlich an der Halswirbelsäule behandelt. Bei allen Schmerzen in der Peripherie (Strukturen entfernt vom Körperstamm) muss abgeklärt werden, ob dieser anscheinend lokale Schmerz nicht ein Ausstrahlungsschmerz des entsprechenden Wirbelsäulensegments oder eines peripheren Nervs oder Myotoms (Muskulatur, die von einem bestimmten Spinalnerven versorgt wird) ist.

Auf der vegetativen Ebene sitzen die Steuerungseinheiten des Sympathikus (dient der Leistungssteigerung) und Parasympathikus (dient der Entspannung/ Erholung).  Jedes Gewebe ist vegetativ innerviert, jedes Schmerzgeschehen hat eine vegetative Komponente. Durch eine vegetative Fehlregulation kann eine Schmerzsymptomatik im Körper entstehen oder verstärkt werden. Je nach Störung kann es zu negativen Beeinflussungen der Durchblutung, der Kapselspannung oder der Organdurchblutung kommen. Eine genaue Untersuchung der Ursache ist auch hier entscheidend, da die anatomische Lage und somit auch die Bereiche, in denen Sympathikus und Parasympathikus behandelt werden können, unterschiedlich sind. Jede Schmerzsymptomatik hat immer eine vegetative Komponente. Es gibt auch Erkrankungen deren Ursache fast rein vegetativ ist (z.B. „Morbus Sudeck“/ CRPS).

Auch viszerale (lateinisch: viscera= Eingeweide) Dysfunktionen und Läsionen können Schmerzsyndrome auslösen. Am bekanntesten ist eine Läsion des Herzens (Herzinfarkt), die ein ziemlich unangenehmes Schmerzsyndrom der linken Rumpfhälfte und des linken Arms auslöst. Auch die stechenden Schulterschmerzen auf der rechten Seite bei einer Gallenkolik sind relativ gut bekannt. Nicht alle Dysfunktionen/ Läsionen innerer Organe lösen solch massive Schmerzen aus. Auch Schmerzen von geringerer Intensität können durch innere Organe ausgelöst werden. Durch die Verbindung von Vegetativum und viszerale Ebene können sich Organprobleme  über das Vegetativum sehr gut ausbreiten. Auf dem neuronalen Weg (das Nervensystem betreffend) kann jedes Organ entsprechende Schmerzen in der Peripherie verursachen. Auch auf das fasziale System haben die inneren Organe einen großen Einfluss. Genauso kann z.B. der Dickdarm die Bewegung der Halswirbelsäule einschränken, wodurch Schmerzen im Nacken ausgelöst werden. Es muss also nie auf direktem Weg ein Schmerzsyndrom ausgelöst werden.

Bei einem positiven Befund innerhalb dieser Ebene sollte das betreffende Organ durch einen Arzt untersucht werden. Eine verlässliche Differenzierung zwischen Dysfunktionen (vegetative Fehlregulation) und Läsion (z.B. Krebserkrankung) ist aufgrund derzeit fehlender Kenntnisse der Ergotherapie nicht möglich.

Die Zusammenhänge von körperlicher Ebene zum psychoemotionalen Geschehen sind heute bewiesen, dies zeigt sich in vielen Untersuchungen der Psychosomatik. Heute werden z.B. Magen- /Darmprobleme, Rückenschmerzen mit Stress in Verbindung gebracht. Psychische Reaktionen können durch therapeutische Behandlungstechniken beeinflusst werden. Über Reflextherapie, wie z.B. Bindegewebszonen, Organzonen, TCM (Traditionelle chinesische Medizin), Chapman oder Fußreflexzonentherapie ist es möglich auf das vegetative Nervensystem und auch auf Organe, die aufgrund der psychischen Dysfunktion eine Fehlregulation aufweisen, einen regulierenden Einfluss zu nehmen. Entspannungsverfahren ergänzen diese Ebene.

Grundlager der energetischen Ebene ist die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) damit lassen sich verschiedene Schmerzsymptomatiken gut beeinflussen. Eine Behandlungsvorgehensweise, um auf energetischer Ebene zu arbeiten, ist die Behandlung der Meridiane. Meridiane sind feinstoffliche Energiebahnen im Körper, die teilweise mit den Faszienketten verlaufen, z.B. die PM -(posterior-median) Kette mit dem Blasenmeridian. Wenn auf feinstofflicher Ebene ein Gleichgewicht hergestellt wird, kann das vegetative Nervensystem positiv beeinflusst werden, die Kraft in unserer Mitte zentriert  und erhalten werden.

Literatur:
HOCKENHOLZ, F.: Physiotherapie bei Schmerzen. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 2016
HOCKENHOLZ, F.: Unveröffentlichte Seminarunterlagen 2014, 2015, 2016, 2018, 2019
HOCKENHOLZ, F.: Therapie chronischer Schmerzerkrankungen in der Ergotherapie. In: praxis ergotherapie, 2/2019, 32. Jahrgang: 91-95